Chronischer Mangel an Wagniskapital

Zwei statistische Ausreißer kaschieren Österreichs chronischen Mangel an Wagniskapital

Mit GoStudent und Bitpanda haben es zwei österreichische Start-ups zum „Einhorn“ gebracht (= Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar). EY meldet für Österreich einen Rekord bei Investitionen. Abgesehen von diesen erfreulichen Nachrichten liegt Österreich bei der Start-up-Finanzierung weit hinter vergleichbaren Ländern. Im Europäischen Innovationsanzeiger der EU-Kommission (European Innovation Scoreboard) rangiert Österreich beim Indikator „Venture capital expenditures“ innerhalb der EU 2021 auf Platz 20. Nach Daten von Invest Europe (auf denen auch die Berechnungen der EU-Kommission basieren) lag Österreich 2020 hinter allen westeuropäischen Ländern; der Anteil des investierten Wagniskapitals (ausländisch + inländisch) am BIP ist beim Spitzenreiter Finnland mehr als siebenmal so hoch.

Zwischen Berlin und Paris findet ein „Start-up-Duell“ statt (Handelsblatt), die Früchte der Reformen, die in Deutschland und Frankreich in den letzten Jahren in die Wege geleitet wurden. Wenig beachtet stellt Österreich einen Rekord: Abgesehen von Luxemburg war 2020 nach Daten von Invest Europe in keinem anderen Land der Anteil ausländischen Wagniskapitals so hoch. Was in anderen Branchen als Beleg für die Attraktivität des Standorts gesehen werden könnte, ist im Bereich der Wagniskapital-Finanzierung ein Ausdruck eines unausgereiften Kapitalmarkts. Denn bei Wagniskapital spielt die Bindung zwischen Investor (der Wagniskapital-Gesellschaft) und investiertem Unternehmen (den Start-ups) eine entscheidende Rolle. Aus diesem Grund ist räumliche Nähe wichtig, und aus diesem Grund konzentrieren sich Wagniskapital-Gesellschaften und Start-ups typischerweise auf engem geografischen Raum (typischerweise außerhalb Österreichs).

Eine tragende Rolle bei der Start-up-Finanzierung in Österreich nimmt die staatliche aws ein. Ohne einer ergänzenden Strategie, wie die Start-up-Finanzierung innerhalb Österreichs attraktiver gestaltet werden kann, wird es nicht möglich sein, das Regierungsziel einer Erhöhung des Volumens der Wagnisfinanzierung bis 2030 auf 0,1 Prozent zu erreichen. Vorschläge, diesem Ziel näherzukommen, sind von WPZ Research in der Vergangenheit mehrfach publiziert worden.

 

Quellen und Verweise:

EY: https://www.ey.com/de_at/news/2022/04/ey-start-up-barometer-europa-2021  
EU-Kommission: https://ec.europa.eu/info/research-and-innovation/statistics/performance-indicators/european-innovation-scoreboard_en
Invest Europe: https://www.investeurope.eu/
Handelsblatt: Ausgabe vom 10. Februar 2022, S. 26
aws: https://www.aws.at/
FTI-Stratgie der Bundesregierung: https://www.bmbwf.gv.at/Themen/Forschung/Forschung-in-%C3%96sterreich/Strategische-Ausrichtung-und-beratende-Gremien/Strategien/FTI-Strategie-der-Bundesregierung-.html
WPZ Research zum Modell eines Dachfonds: https://www.wpz-research.com/mobilisierung-und-einsatz-von-wagniskapital-im-rahmen-von-innovations-und-wachstumsfinanzierung/
WPZ Research zum Vorschlag einer Rechtsreform: https://www.wpz-research.com/rechtsform-zu-risikokapital/